Ein Garten im Wandel

Mut und der tiefe Wunsch, einen eigenen Garten zu besitzen, standen am Anfang. Unser Umzug aus dem Sauerland in das sonnenverwöhnte Unterfranken hatte den Zauber, dem ein Neubeginn innewohnt.

Die Aussicht, von einer Mietwohnung mit Gartennutzung in ein altes Anwesen von 1898 mit 1100 qm Grundstück zu wechseln, ließ alle Bedenken vergessen, die man mit über 50 normalerweise hat. Die Planung des Gartens hatte schon begonnen, als der Kauf des Anwesens noch in den Sternen stand. Schon länger träumten wir von eigenem Gemüse und Obst, von einem Staudengarten, einer Obstwiese und einer Werkstatt oder einem Atelier. Mit unserer Utopie vor Augen und der Energie, die daraus erwächst, war es nicht so wichtig zu wissen, welche Arbeit vor uns liegen würde.

Die Ausgangslage

Das Gebäude erstreckt sich über die 34 m der Grundstückstiefe. Vorn ein Wohnbereich, dahinter Wirtschaftsräume, Werkstatt und Scheune. Die 16 Meter lange Hofeinfahrt bestand aus drei dicken, alten Betonplatten, rechts davon eine eben so lange und breite Rasenfläche.

Der eigentliche Garten umfasste eine große Wiese mit alten Obstgehölzen, einem Beetstreifen, ein Rosenbeet, einen zugewucherten Teich und eine Himbeerhecke.

Gleich vorn am Zaun zur Dorfstraße, etwa zwei Meter vom Wohnhaus entfernt, standen die ältesten Bäume, eine Birne ‚Williams Christ‘ und ein Kirschbaum, Hochstämme, jeweils mindestens 80 Jahre alt. Beide überragten den zweigeschossigen Wohnbereich um das Doppelte. An eine Ernte war nicht zu denken, als wir im August 2010 einzogen. Das gesamte Obst fiel auf die Dorfstraße oder wurde von den Staren geholt, die sich in der Kirsche vergnügten. Sehr viel Schatten warfen die Bäume, an manchen Stellen waren sie morsch und so ließen wir sie untersuchen. Der Befund war negativ. Die Bäume mussten gefällt werden, aber wir pflanzten sogleich neue Obstbäume. So entstanden wieder zwei Reihen Obstbäume mit einem Rasterabstand von 6 Metern, das Grundgerüst für die weitere Planung. Der Hof bekam seinen Hausbaum, eine ‚Konstantinopeler Apfelquitte‘.

Da der Garten von der Straße aus einsehbar ist, wollten wir hier Stauden und Rosen pflanzen. Nach der Himbeerhecke, die schon die Gartenräume teilte, sollte der Nutzgarten entstehen, genau auf dieser Höhe ist der Zugang vom Haus in den Garten.

Weiter hinten lag der kleine Tümpel, der richtige Ort, um nach der Arbeit zu entspannen. Den Abschluss zum Nachbargrundstück bildeten Ziergehölze wie Schneeball, Kolkwitzie, Korkenzieherhasel, Holunder und Weigelie.

Entlang der Grundstücksgrenze verläuft zum angrenzenden Friedhof eine wunderschöne Steinmauer. Manch einer behauptet, wir hätten das Grundstück nur ihretwegen erworben. Dabei ist sie im Sommer von Rosen und Brombeeren stark zugewachsen und kaum noch zu sehen.

Die Planung

Typische Elemente eines Bauerngartens wollten wir einsetzen: vier Beete mit Wegekreuz und Rondell in der Mitte. In dem 6-Meter-Raster entstanden die formalen Beete.

Im Frühjahr steckten wir die Flächen ab und pflanzten Mitgebrachtes, Geschenktes und Vorhandenes. Am Zaun zur Straße hin bekamen die Strauchrosen ihren neuen Platz. Ein Freisitz in Teichnähe entstand und pro Jahr wurde ein Hochbeet gebaut. Nach und nach bekam der Garten ein Gesicht und wir fingen an, Stauden und Rosen zu kaufen. Im Hof, am Maschendrahtzaun zum Nachbarn, pflanzten wir die mitgebrachten Dahlien.

Nach den ersten Jahren mit einigen Renovierungsarbeiten wie Dach, Fenster und Heizung machten wir auch kurze Gartenreisen. Die Ziele waren Gärten von Mitgliedern der Gesellschaft der Staudenfreunde, Sichtungsgärten und natürlich auch regelmäßige „Pilgerreisen“ nach Potsdam-Bornim, in den Foerster-Garten. Hier bekamen wir viele Anregungen und konnten uns wunderbar austauschen. Bis heute ist für uns ein Ausflug zum Staudengärtner immer ein Highlight.

Der Hof als Vorgarten

Die Hausfassade war in früherer Zeit mit Wein bewachsen. Der alte Rebstock trug immer noch. Wir spannten Drähte und lassen ihn seither Jahr für Jahr wie ein Laubendach am Carport wachsen. So bekamen wir ein kleines Schattenbeet. Dahlien sind sehr schön und man hat lange Freude mit ihnen. Das Ein- und wieder Auspflanzen der Knollen, das frostfreie Lagern und Trocknen stellte sich bei der Menge als zu aufwendig dar. So verschenkten wir sie und entschlossen uns, auch wegen der sommerlichen Hitze im Hof, zu einem „Duft- und Kräuterbeet“ mit mediterranen Halbsträuchern und Rosen. Der Untergrund besteht größtenteils aus Bauschutt. Zur Straße hin im Vorgarten wuchsen Rosen, Pfingstrosen, Buchs, Bergenie und Blaukissen. Etwas Sichtschutz gab es durch Weigelie, Forsythie und Hibiskus.

Von der wunderbaren Herbstbepflanzung im Karl-Foerster Garten angeregt, hatten wir im Anschluss an die Vorgartenbepflanzung mehrere Herbstastern und ein Schilfgras gesetzt. 2015 wurden wir durch einen zweiten Kanalbruch im Hof die Betonplatten endlich los. Für aufwendiges Pflaster war kein Geld geplant, so entschieden wir uns für Mainkies. Mit den neuen Rebstöcken am Haus verbesserten wir nicht nur die Optik, sondern auch das Kleinklima. Eine lange Kiesfläche erschien uns langweilig und mit entsprechender Bepflanzung mit trittfesten Stauden entstand ein „befahrbarer Kiesgarten“ – übrigens ein deutliches Zeichen, dass im Kies durchaus etwas wächst 😉

Folgenreicher Sommer 2018

Schon nach einem Jahr spürten wir die Trockenheit der Region, bereits im Frühjahr war der Rasen trocken und braun. Die jungen Bäume gaben kaum Schatten und der Garten lag von morgens bis abends in der Sonne.

Der Sommer 2018 zeigte uns Grenzen auf. Die Hitze und Trockenheit setzten Garten und Gärtner gleichermaßen in Stress. Wir beschlossen kurzerhand, den Hof komplett mit einer Kiesschicht zu versehen, die Stauden und Halbsträucher wuchsen bereits auf magerem Boden und so verteilten wir Anfang August bei fast 40°C eine ca. 7 cm dicke Schicht, die als Mulch dient. Bereits nach 3-4 Wochen zeigte sich frischer Austrieb.

Der Freisitz als grünes Wohnzimmer

Schon immer galt der Garten in früherer Zeit als Arbeitsplatz und jeder Meter diente dem Anbau von Gemüse und Obst. Für uns war klar: nur keine Terrasse! Der Garten ist unser Wohnzimmer. Uns schwebte eine Weinlaube vor und so bauten wir aus Rundhölzern und gespanntem Draht ein Spalier, an dem die Rebstöcke im Cordon erzogen werden. Bereits Ende Juni ist die Laube komplett umrankt. Ringsherum pflanzten wir historische Rosen. Hinter der Laube rechts fanden weitere historische Rosen ihren Platz. Mit Rittersporn, Storchschnabel und Frauenmantel ein schöner Anblick.

Der Teich

Im September 2015 besuchten wir zwei bekannte Gärten in Mecklenburg-Vorpommern. Der Wildstaudengarten von Jochen Wegner und der Gräser- und Teichgarten von Claus Gering hatten uns neugierig gemacht – mit neuen Ideen fuhren wir wieder zurück. Noch im Herbst begannen die Vorbereitungen, die Stauden wurden versetzt, die Seerose bekam ein Übergangsquartier einschließlich Libellenlarven und kleiner Molche. Ziel war die Vergrößerung, vor allem der Flachwasserzone. Im darauffolgenden Frühjahr waren die Pläne umgesetzt. Der Teich wird ausschließlich durch Regenwasser befüllt und so fällt im Sommer die Flachwasserzone leicht trocken, durch den Kies mit entsprechender Bepflanzung nicht störend. Dies ist auch die beliebte Tränke für Insekten und Freibad für die Vögel.

Das Taglilienbeet am Ufer ist dicht bepflanzt, darunter Storchschnabel, Eisenhut, Wasserdost, Heuchera und Hosta. So können sie trockene Zeiten gut überstehen.

Der Küchengarten

Nach vier Jahren waren aus Hügelbeeten vier Hochbeete entstanden. Damit können wir recht nah am Stamm, über den Wurzeln der Obstbäume, Gemüse pflanzen. Mit den Hochbeeten erreichen wir frühere und längere Ernten. Hier giessen wir regelmäßig und ausdauernd. Im Sommer 2018 wurde das Wasser im Brunnen knapp und so entschieden wir uns für eine Tropfbewässerung mit Regenwasser. Weitere Beete sind als Hügelbeete angelegt, die nach Süden ausgerichtet sind. Die Obstbäume sind mit trockenheitsverträglichen Stauden wie z. B. Bergenien und Geranium macrorrhizum unterpflanzt, am Gehölzrand auch mit Päonien.

Der Gräserpfad

Der lange Rasenstreifen sollte im bunten Sommergarten dem Auge Ruhe verschaffen. Aber die langen Sonnenstunden, der mangelnde Baumschatten und nicht zuletzt die fehlenden Niederschläge ärgerten uns zunehmend. Ich dachte seit der Gartenreise nach Mecklenburg-Vorpommern immer wieder an die Wiesen meiner Kindheit und so entstand der Gedanke eines Gräserpfades entlang des Wohngebäudes. Unser Gartenfreund Claus Gering half uns bei Planung und Auswahl, zeitgleich mit dem Teich entstand der Gräserpfad.

Der Pfad schlängelt sich zwischen Gräsern, Knöterich und Wiesenknopf. Wir setzten u.a. etwa 400 Dichternarzissen. Ihr Laub zieht beim Austrieb der Gräser langsam ein, bedeckt den Boden und fällt zwischen den Gräsern nicht auf. Wir pflanzten Sesleria autumnalis, Carex testacea, Sporobolus heterolepis, Calamagrostis brachytricha, Bistorta amplexicaulis ‚Blackfield‘ und ‚J.S. Caliente‘, Sanguisorba albiflora und Sanguisorba officinalis ‚Red Thunder‘. Dazwischen noch kleinbleibende Miscanthus. Leider überlebte Carex testacea den ausgehenden Winter mit den Frösten im Februar und März nicht und so pflanzten wir Sporobolus heterolepis nach. Diese Pflanzung ist ein Geschenk des Himmels – nach diesem heftigen Sommer 2018 zeigte sich im Herbst ein wunderschönes Bild, wie geschaffen für die im eigenen Atelier entstandenen Skulpturen aus wetterfestem Steinguss.

Die Gartenräume

Die verschiedenen Gartenräume betritt man durch Rosenbogen, an denen einmalblühende kleinere Rambler wachsen: Francois Juranville, May Queen, Lauré Davouste.

Im Spätsommer und Herbst, wenn Herbstastern und Gräser sich ihrem Höhepunkt nähern, verschwimmen die Grenzen. Die kommen erst wieder im Frühjahr zur Geltung, wenn Stauden und Gräser zurückgeschnitten werden.

Der Staudengarten

Aus der Nachbarschaft und von Pflanzenbörsen kamen immer mehr Stauden zusammen. Eingebrachtes Unkraut ließ sich nur durch das Aufnehmen und Säubern der Pflanzen und des Bodens entfernen. Durch erlernte Theorie und den Wissensaustausch mit Gartenfreunden und Fachleuten vermieden wir jetzt auch grobe Fehler bei den Kombinationen. Begriffe wie Bodenfeuchtigkeit und Winterhärtezone, Leitstauden, Strategietypen etc. waren uns nicht mehr ganz fremd. Etliche Umpflanzaktionen haben wir bereits hinter uns und es werden nicht die letzten sein.

Seit unserem Umzug haben wir immer wieder über fremde Gartenzäune geschaut: was hier gut wächst, haben wir gepflanzt. Gegossen werden nur Neupflanzungen. Es hat sich durchaus bewährt, diese im Spätsommer oder Herbst vorzunehmen. Unsere große Liebe aber gehört den Astern, über 40 verschiedene haben wir im Garten.Vor etwa zwei Jahren haben wir angefangen, die Bäume zu unterpflanzen. Es sind bislang noch Testpflanzungen. Was sich bewährt und gefällt, wird umgesetzt.

Ausblick

Die Wegekreuze und die Sichtachse, die Staudengarten, Nutzgarten und Freisitz verbindet, sind bereits aus Kies. Für ein harmonisches Bild haben wir im Winter 2018/2019 nun auch noch die im Sommer ständig ausgetrockneten Graswege durch Kies ersetzt. Wir ergänzen überall die Pflanzlücken, wie wir es in Karina Waltzers Berglegarten in Freiburg gesehen haben, damit der Boden nicht austrocknet. Die Auswahl ist unendlich groß und dafür lassen wir uns Zeit. „Erlaubt ist, was gefällt“ ist nicht unsere Devise, sondern standortgerechte Pflanzung. Die Erfahrungen aus dem Sommer 2018 waren wichtig. Die Stauden haben sich bewährt. Unser Boden ist durchlässig, so dass wir die Winternässe nicht fürchten.  Die Hortensien, die am meisten gelitten haben, bekommen noch eine Chance. Sollte es in diesem Jahr ähnlich werden, werden sie durch geeignete Stauden oder Gehölze ersetzt. So ändert sich der Garten Jahr für Jahr.